Soziale Energiewende
Die Energiewende stellt insbesondere für die ländlichen Räume Brandenburgs eine doppelte Herausforderung dar: Einerseits gilt es, ökologische Ziele zu erreichen, andererseits droht ohne sozial flankierte Maßnahmen eine Vertiefung struktureller Ungleichheiten. Als Flächenland mit über 29.000 km² und einer vergleichsweise niedrigen Bevölkerungsdichte (ca. 84 Einw./km²) zieht Brandenburg überdurchschnittlich viele Investitionen in Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA) und Windkraft an. Die Eigentumsverhältnisse an diesen Anlagen liegen jedoch häufig bei überregionalen Investoren und börsennotierten Konzernen. Infolgedessen fließt ein erheblicher Teil der Wertschöpfung aus dem Land ab – mit der Folge, dass soziale, arbeitsmarktpolitische und strukturelle Potenziale vor Ort ungenutzt bleiben.
Besonders spürbar sind die Verwerfungen an finanziell klammen Kommunen, an fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten im Umfeld großer Investorenprojekte sowie an Verwerfungen auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt. Der gesetzlich vorgesehene finanzielle Beteiligungsrahmen für Kommunen und Bürger*innen (§6 EEG, Solar-/ Windeuro) bleibt oftmals symbolisch und reicht nicht aus, um eine breite Akzeptanz zu sichern oder regionale Entwicklungsimpulse auszulösen. Den Kommunen fehlt oft Personal und Budget, um mit den fortlaufenden Entwicklungen des EEG und begleitenden Gesetzesänderungen Schritt zu halten. Das äußert sich u.a. in einem Mangel an gewerbesteuersichernden Maßnahmen in den Beschlüssen zu Großprojekten der Energiewende vor Ort.
Gleichzeitig ist Brandenburg ein Land mit erheblichem Nachholbedarf im Bereich dezentraler Energieversorgung: Rund 53 % (Kommunaler Energiesteckbrief, Energieagentur Brandenburg) der Haushalte heizen noch mit fossilen Energieträgern wie Gas oder Öl. Dies bindet Kapital, zementiert Importabhängigkeit und verhindert lokale Wertschöpfung. Eine konsequente sektorübergreifende Energiewende – also die intelligente Kopplung von Strom-, Wärme- und Mobilitätssektor – eröffnet hier nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich und arbeitspolitisch enorme Chancen.
Vor diesem Hintergrund verfolgt der neu gegründete Landesverband Bürgerenergie Brandenburg (e.V. i. Gr.) ein klares Ziel: Die Energiewende sozial zu gestalten und die vorhandenen Potenziale zur regionalen Wertschöpfung zu heben. Nach den Erkenntnissen der REWA-Studie (IÖW 2020) generieren lokale Eigentums- und Betreibermodelle bis zu achtmal mehr regionale Wertschöpfung als überregionale Projekte.
Bürgerenergie beschreibt die gemeinschaftliche oder individuelle Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien. Das Ziel ist eine dezentrale und teilhabende Energiewende, bei der Menschen vor Ort selbst aktiv an der Gestaltung der Energieversorgung mitwirken. Bürgerenergiegenossenschaften (BEGs) sind der Motor, um die Bürgerenergie vor Ort zu verankern und das Rückgrat dieser Transformation.